Beim zweiten Vortrag, der gestern von Historiker und Hauptamtler des Archivs Dr. Max Plassmann unter o. g. Titel gehalten wurde, konnten wir im Anschluss an die Mitgliederversammlung (Protokoll folgt) fundierten Überlegungen über die Gründe für das Scheitern der Reformation in Köln folgen. Der Referent hat uns dankenswerterweise eine Zusammenfassung seines Vortrags zur Verfügung gestellt:
Auf die Thesen Martin Luthers musste nach 1517 in Deutschland jeder reagieren – sei es durch bereitwillige Übernahme, durch vorsichtiges Abwarten oder durch Ablehnung. Die Stadt Köln wählte die letzte Option und erklärte schon sehr früh, beim alten Glauben und beim Papst bleiben zu wollen. Warum das? Für viele Historiker war es ein Zeichen verpasster Modernisierungschancen, jedoch greif diese These zu kurz. Kölnerinnen und Kölner hatten viele gute Gründe, sich nicht auf das Experiment einer Reformation in ihrer großen und unübersichtlichen Stadt einzulassen. 19 Pfarrkirchen hätten dazu gleichzeitig mit neuem Predigerpersonal ausgestattet werden müssen, und 22 Gaffeln hätten sich über das Vorgehen einigen müssen. Das war kaum denkbar ohne großen Streit und Unfrieden. Innerer Frieden war aber einer der höchsten Werte der Kölner Stadtgesellschaft, und ihn riskierte man nicht ohne Not. Das erklärt Kölns Hang, beim Bewährten zu bleiben und sich auf keine experimentellen Neuerungen einzulassen.
Hinzu kam, dass Köln in vielerlei Hinsicht schon vor Luther eine reformierte Stadt war, ohne sich so zu nennen. Viele Forderungen der Reformation im Hinblick auf den Einfluss der Laien auf die Kirchengemeinden waren in Köln bereits im 15. Jahrhundert umgesetzt worden, und auch der Rat konnte immer wieder im Sinne einer weltlichen Kirchenleitung agieren, wie sie sonst nur in reformierten Städten praktiziert wurde. Der Reformstau, der an anderen Orten die Luthersache zu schnellem Erfolg geführt hatte, bestand in Köln also nicht im gleichen Maße.
Auch der Blick nach außen ließ vor einer Reformation zurückschrecken. Der frühere Stadtherr, der Erzbischof, wurde – ob zu Recht oder zu Unrecht – verdächtigt, die Stadt wieder unterwerfen zu wollen. Um seine Unabhängigkeit zu verteidigen, brauchte Köln dagegen Verbündete. Kaiser und Papst standen da in der ersten Reihe, denn beide standen über dem Erzbischof. Da beide beim alten Glauben blieben, war es auch außenpolitisch sinnvoll, sich ihnen anzuschließen.
Manch weiterer Grund sprach dafür, sich der als Reaktion auf die Herausforderungen der Reformation entstehenden katholischen Konfession anzuschließen, so zum Beispiel die Sicherung der Lebensmittelversorgung der Stadt, zu der die Landgüter der hiesigen Klöster und Stifte beitrugen, die eindeutige Stellungnahme der Universität und später weiterer Bildungseinrichtungen gegen das Luthertum und vielleicht auch die Sicherung des Handels mit den zunächst noch katholischen Niederlanden.
Im Ergebnis wurde Köln eine Stadt, die sich nach außen und offiziell streng katholisch war, die aber unter der Hand einiges so handhabte, wie protestantische Städte. Und in der eine große Zahl von Protestanten lebten. Also eine kölsche Lösung? Ja, jedoch letztlich auf Kosten der Protestanten, die nicht die gleichen Rechte erhielten, wie die Katholiken.