„Danke Napoleon!“ – Vortrag über die Protestanten im Heiligen Köln

Für einen Vortrag im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Hilliges Köln 2.0 – Auf dem Weg zur religiösen Toleranz?“ durfte das Historische Archiv der Stadt Köln gestern Prof. Dr. Siegfried Hermle begrüßen. Hermle, der seit 2001 Evangelische Theologie an der Universität zu Köln lehrt, fühlte dem Verhältnis der Protestanten im „Hilligen Köln“ nach und stellte fest, dass die Kölnerinnen und Kölner sehr lange offen intolerant gegenüber der protestantischen Minderheit agierte.

So konnten Protestanten über Jahrhunderte kein Bürgerrecht erlangen, keinen Gaffeln beitreten und keine Kirchen unterhalten. Wollten sie einen Gottestdienst besuchen, so mussten sie beispielsweise nach Frechen oder nach Mülheim in die Lutherkirche. Ihre Toten durften sie lediglich vor den Toren der Stadt zu Grabe tragen (Geusenfriedhof/Weyertal).

Zeigte sich uneinsichtig: Der Kölner Rat, hier dargestellt in einem Kupferstich von um 1655

Einen besonderen Blick richtete Siegried Hermle auf den Toleranzstreit, bei dem es sich um eine Auseinandersetzung zwischen der Bürgerschaft, der Geistlichkeit und dem Rat der Stadt Köln um einen Ratsbeschluss handelt: Im November 1787 stimmte der Rat mit knapper Mehrheit für eine Petition der Protestanten, in der diese um die Erlaubnis zu „stiller Religionsausübung“ sowie um Zustimmung zur Errichtung eines Gebets- und Schulhauses baten. In der Stadt mehrte sich aber der Widerspruch gegen das Vorhaben. Die katholischen Zünfte, die Geistlichkeit der Stadt und der Kölner Erzbischof und Kurfürst Maximilian Franz von Österreich legten scharfen Protest gegen die Entscheidung ein, man befürchte revolutionsähnliche Zustände. Nach einer folgenden fast zwei Jahre dauernden scharfen Auseinandersetzung hoben die Ratsherren schließlich den ursprünglichen Beschluss wieder auf.

Während Kaiser Joseph II. auf der Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses beharrte, sahen sich die Protestanten schließlich durch Drohungen und Gewalttätigkeiten gegen Protestanten in Köln dazu veranlasst, am 03.08.1789 offiziell auf die Errichtung eines Gotteshauses zu verzichten. Der Rat nahm diese Verzichtserklärung selbstverständlich freudestrahlend an, und die Protestanten blieben unterdrückt.

Einen Wandel brachte erst die französische Zeit: Nachdem das Rheinland ab 1797 Bestandteil der französischen Republik wurde, erhöhte Frankreich in Person des Zivilverwalters Lazare Hoche den Druck auf die intoleranten Kölner. Er drohte dem Rat damit, die Protestanten von allen Abgaben zu befreien, sollten ihnen nicht die gleichen Rechte gegeben werden. Die Hoffnungen der Franzosen, dass sich der Kölner Rat die Toleranz selbst auferlegte, bestätigten sich jedoch leider nicht. Denn als sich der Rat im Anschluss weiter reformunfähig zeigte, wurde der Rat am 5. September 1797 durch ein zwölfköpfiges Magistrat ersetzt.

Danach ging es schnell: Am 17.11.1797 erhielten Protestanten schließlich das volle Bürgerrecht. In den „Organischen Artikeln“, die April 1802 in Kraft traten, wurde den protestantischen Kölnern  – damals bestehend aus etwa 650 reformierten und 160 lutherischen Christen – das Recht zur freien Religionsausübung zugesprochen. Somit durften auch die Protestanten innerhalb der Stadtmauern Gottesdienste feiern.

Am 23. Mai 1802 feierten die reformierten und lutherischen Christen gemeinsam im Haus der Brauerzunft in der Schildergasse ihren ersten öffentlichen Gottesdienst in Köln. Die ihnen von den Franzosen zugeteilte Antoniterkriche konnte nach einigen Umbaumaßnahmen erst 1805 für Gottesdienste genutzt werden. 

„Danke Napoleon“, konnten die Protestanten also bei ihrem Eröffnungsgottesdienst sagen. In der Praxis klang das so:

„Wem danken wir den Gottestempel

der uns’re Herzen so entzückt?

[…]

Es ist Napoleon der Kaiser

Der diesen Tempel uns geschenkt.

Er sah des Vaterlands Gefahren

Und stiftete das Konsulat

Gab volle Freiheit den Gewissen

Und schuf das weise Konkordat.“

 

Napoleon erkundigte sich noch 1811 bei einem Besuch in Köln nach dem Verhältnis der Kölner zu der protestantischen Minderheit und mahnte eine einvernehmliche Lösung der schon damals konfliktbehafteten Themen der (unterbundenen) Mischehen und der (zwingend katholischen) Taufe neugeborener Kinder an.

Napoleon zu Pferde (S. Meister, 1832, Öl auf Leinwand, Städtisches Museum Simeonstift Trier)