Von Pranger, Fleischhalle und Trümmerkneipen – der Heumarkt und die Kreuter’schen Karten
Von Pranger, Fleischhalle und Trümmerkneipen – der Heumarkt und die Kreuter’schen Karten

Von Pranger, Fleischhalle und Trümmerkneipen – der Heumarkt und die Kreuter’schen Karten

Vortragender im schwarzen Hemd am Pult mit Logo der FREUNDEZur Auftaktveranstaltung des neuen Jahres hatte Stadtkonservator Dr. Thomas Werner am Mittwoch dieser Woche einen wichtigen, und wie sich zeigte auch sensiblen städtebaulichen Ort ausgewählt. Er zeigte anhand von zahlreichen – zum Teil selten bis nie gesehenen – Fotos die Veränderungen am Heumarkt zwischen Spätmittelalter, der Darstellung der Kreuter’schen Karten und schließlich bis in die Gegenwart auf.

Trotz Bahnstreik, klirrender Kälte vor den Türen und entsprechend anstrengender KVB-Anreise war der Vortragssaal am Eifelwall voll – und es lohnte sich. Lebhaft und ohne Manuskript, teils emotional und mit feinem Humor – vor allem natürlich mit detailreicher Fachkenntnis nahm uns Thomas Werner mit zu ausgewählten städtebaulichen Situationen und Gebäuden auf dem Heumarkt, die zum ganz überwiegenden Teil nicht mehr existieren (eine Ausnahme: Haus „Zum Sankt Peter“, heute Zims, Heumarkt 77). Dass die Heumarktfassaden in der Vergangenheit keinesfalls so einheitlich in ihren Fronten waren wie es heute erscheint, war nur eine der Erkenntnisse des Abends. Erkennungsbild bleiben jedoch die typischen, leicht zurückgesetzten „Kölner Dächer“.vortragender vor Beamerwand, dort farbig aquarellierte Kreutersche Karte des HeumarktesDer Heumarkt hatte spätestens seit der Einführung des Stapelrechts wegen seiner logistisch günstigen Lage zum Rhein die wichtige Rolle als zentraler Markt. Drei Tore öffneten sich zum Rhein und nahmen die Handelswaren von den hier anlegenden Schiffen auf. Der Rundgang auf dem Heumarkt führte uns zur Fleischhalle im Westen des Platzes, „Unter Hutmacher“ mit seinen sozialen Verhältnissen, sowie Börse, Handwerkskammer und Kornwaage, und natürlich zur preußischen Wache und zum Kaiser-Wilhelms-Denkmal mit seiner wechselvollen Geschichte. Mit Schaudern lernte das Publikum, dass der zentrale Pranger – die öffentliche Hinrichtungsstätte Kölns – noch bis ins 19. Jahrhundert „in Betrieb“ war.

Jüngeren Zuhörenden im Publikum wurden die Proportionen und Erschließungsstraßen des Platzes, der ja keinesfalls „Ungerm Stätz vum Pääd“ oder an der KVB-Trasse endet, noch einmal ganz neu bewusst. Werner arbeitete auch diese neuzeitliche Zerstückelung eines einstmals riesigen Platzes detailliert heraus, angefangen von der Errichtung der Großmarkthalle 1904, der das östliche Drittel der Platzfront für sich beanspruchte (heute: Maritim-Hotel, das übrigens einige Formen der Markthalle wieder aufgenommen hat). Es folgte der zunehmende Verkehr Ende des 19. Jahrhunderts und endete noch lange nicht bei der Freilegung der Platzkante für die Auffahrt zur Deutzer Brücke(n). Dass die megalomanischen nationalsozialistischen Pläne, die eine Ost-West-Schneise als Aufmarschstraße von Deutz bis zum Aachener Weiher schlagen wollten, nie umgesetzt wurden, ließ kollektiv aufatmen. Selbstredend nur einen Wimpernschlag lang, denn es folgte die beinahe totale Zerstörung der Kölner Innenstadt. Das Foto der Malzmühle, von der nur noch der historische Türbogen erhalten geblieben war, und der „Außengastronomie“ auf der freigeräumten Bodenplatte war einer der emotionalen Momente des Abends. Zuletzt wagte sich Thomas Werner als Denkmalpfleger auch an die Stadtreparatur und zeigte Ideen, wie einzelne, aus denkmalpflegerischer Sicht weniger gelungene Platzfronten mit moderner Architektur geheilt werden könnten.

Vortragender zeigt auf Kreutersche Karte an Beamerwand, dahinter historische Darstellung der Fleischmarkthalle

Ausgangs- und Mittelpunkt aller Erzählungen blieben jedoch die in der aktuellen Ausstellung gezeigten Kreuter’schen Karten, welche die Situation gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zeigen, dabei aber interessanterweise preußische Gebäude auf dem Heumarkt aussparen. Ob dies einer früheren Entstehungszeit der Karten geschuldet ist, Kreuters politische Ansichten spiegelt oder Teile der aufklappbaren Fassadenelemente einfach verlorengegangen sind, musste offen bleiben. So oder so bleiben die Karten eine Augenweide und Fundgrube für die städtebauliche Geschichte Kölns, und wir können den Besuch der Ausstellung und des weiteren Begleitprogramms nur empfehlen.