Am 3. März 2009 stürzte das Historische Archiv der Stadt Köln an der Severinstraße im Zusammenhang mit dem Bau der U-Bahn ein. Zur Zeit sind die Ursache und das Verschulden nicht geklärt. Entsprechende Ermittlungen sind im Gange.
Bei dem Einsturz wurden zwei Menschen getötet und etwa 30 Regal-Kilometer an Beständen dieses weltweit wichtigsten kommunalen Archivs verschüttet. In einer beispiellosen Rettungsaktion, bei der auch unzählige freiwillige Helfer insbesondere aus der Region, aber auch aus ganz Deutschland, Europa und Übersee mithalfen, konnten in den darauffolgenden Wochen etwa 85 Prozent der Bestände geborgen werden. 10 Prozent liegen zurzeit noch in dem mit Grundwasser gefüllten Einsturztrichter und sollen bis August 2010 geborgen werden, 5 Prozent sind voraussichtlich als verloren anzusehen.
Die geborgenen Bestände sind auf insgesamt 19 Archive in ganz Deutschland verteilt. Bedingt durch den Einsturz und die nachfolgende Bergung aus dem Gebäudeschutt sind sämtliche Bestände in völlig unsortiertem Zustand und zunächst nur vom gröbsten Schmutz befreit, bzw. gefriergetrocknet.
Folgende Schadenskategorien lassen sich für das geborgene Archivgut feststellen:
– ca. 35 Prozent haben schwerste Schäden
– ca. 50 Prozent haben schwere und mittlere Schäden
– ca. 15 Prozent haben leichtere Schäden.
Es ist mit einem Restaurierungsbedarf in Höhe von mind. 350 Mio. Euro zu rechnen, um alle geborgenen Bestände zu restaurieren.
Da es sich bei dem geborgenen Archivgut nicht nur um Bestände der Stadt Köln handelt, sondern in größerem Umfang auch um Leihgaben in Form von Vor- oder Nachlässen, muss in jedem Fall zunächst eine Erfassung und Systematisierung aller Bergungseinheiten und parallel dazu bzw. nachfolgend eine Gesamtrestaurierung aller Bestände erfolgen. Da vieles nur in kleinsten Stücken ("Köln-Flocken") geborgen werden konnte, wird ihre Zusammenführung nach der Restaurierung mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms erhofft.
Es ist damit zu rechnen, dass eine erste Erfassung und Systematisierung der geborgenen Bestände etwa 5 Jahre in Anspruch nehmen wird, die Restaurierung wird wohl insgesamt 30 Jahre dauern – vorausgesetzt, die entsprechenden Mittel stehen zur Verfügung.
Was ist bisher geschehen?
– Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Historischen Archivs haben in einer vielfach übermenschlichen Kraftanstrengung die Hauptlast der seelischen und materiellen Bewältigung des Einsturzes verkraften müssen und verkraften sie noch. Die Auslagerung der geborgenen Archivalien an 19 Standorte in ganz Deutschland und ihre dort erfolgende Erfassung und Bestandszusammenführung erfordert weiterhin von allen einen über das normale Maß weit hinausgehenden Einsatz.
– Die Verwaltung des Archivs hat im April 2010 am Heumarkt 14 neue Büroräume bezogen und hier auch einen digitalen Lesesaal eingerichtet. Außerdem steht ein Ausstellungsraum zur Verfügung.
– In Porz wird im Laufe dieses Jahres ein Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum eingerichtet.
– Der Rat der Stadt Köln hat den Beschluss zum Neubau des Archivs am Eifelwall gefasst. Mit einer Fertigstellung des Gebäudes wird im Jahre 2014 gerechnet.
– Der Rat der Stadt Köln hat dem Archiv 38 neue Stellen, die zum Teil befristet sind, genehmigt.
– Der Rat der Stadt Köln hat bis 2013 die Restaurierungsmittel auf jährlich 10 Millionen Euro erhöht.
– Die Stadt Köln hat zur Unterstützung der Restaurierung die Gründung der Stiftung Stadtgedächtnis initiiert. Zurzeit sind dafür vonseiten der Stadt Köln 5 Millionen Euro, vom Land NRW und vom Bund je 1 Million Euro zugesagt.
Was muss akut geschehen?
Aus der großen Diskrepanz zwischen den zur Verfügung bzw. in Aussicht stehenden und den erforderlichen Restaurierungsmitteln ergibt sich eindeutig die Notwendigkeit, dass verstärkte Anstrengungen erfolgen müssen,
– um zunächst die Kölner Bevölkerung für die Restaurierung der Bestände zu motivieren (u. a. durch eine gezielte Verbreitung des vom Archiv initiierten Patenschaftsmodells).
– um tatsächlich die nationale Motivation zu schaffen, die Bereitschaft und das Interesse zu wecken, dem Historischen Archiv der Stadt Köln zu helfen und so annähernd an die benötigten Mittel zu kommen, um die Restaurierung innerhalb der nächsten 30 Jahre zu schaffen.
Prof. Dr. Hiltrud Kier