
Emotional, kreativ, voller witziger oder ernsthafter Erinnerungen: Eusebius Wirdeier und Wolfgang Niedecken bereiteten den FREUND*innen und ihren Gästen gestern ein vorweihnachtliches Erlebnis der Extraklasse. Ausgangspunkt war das gemeinsame Fotobuch Fotogeschichten Kölner Südstadt, für das der Fotograf „Sherlock Holmes der Fotoarchive“ Eusebius Wirdeier sich monatelang im Rheinischen Bildarchiv in unveröffentlichte Negativstreifen von Chargesheimer vertieft hatte. Im Ergebnis kam ein Spaziergang von Süden nach Norden durch das Vringsveedel heraus, der sich nun mit den Kindheitserinnerungen von Wolfgang Niedecken verwob – dessen Aktionsradius mütterlicherseits auf rund 1 km rund um die Severinspooz festgelegt war, ein offenbar durchaus dehnbarer Radius. Die Severinstraße als „Broadway“, und wer auf der Südbrücke steht, sieht da drüben rechtsrheinisch schon die Alpen …! Moderatorin Swantje Freifrau von Massenbach kitzelte mit ihrer feinfühligen Gesprächsführung eine Anekdote nach der anderen aus den beiden heraus. Wer hat den Severin bemalt und warum? Was hat die Leopardenfell-Badehose mit dem mütterlichen Geruchssinn zu tun? Wann tauchte das langersehnte Foto vom Roxy auf? Mit solchen Schmankerln und kurzen Lesungen aus dem Buch verging der „Diavortrag“ wie im Fluge.
Während das begeisterte Südstadtpublikum bei an die Bühnenwand projizierten Bildern die Beschreibungen fast mitsprechen konnte, ging anwesenden Archivmitarbeitenden und -fans das Herz auf bei den Erzählungen und dokumentarischen Bildern, die die akribische Arbeit Wirdeiers im RBA zeigte. Negativstreifen für Negativstreifen – 25000 Aufnahmen insgesamt! –, analog und handschriftlich dokumentiert und entlang der Vringsstroß verortet, dazwischen eine Pause – weil das RBA vom Kattenbug an den Eifelwall zog. Hier ließ sich die spannende und kreative Beschäftigung mit Archivgut mit Händen greifen. Dass das Historische Archiv dann noch den Antrag von Niedeckens Papa ans Kölner Gesundheitsamt – samt Skizze der Liegenschaft – aus dem Hut zaubern konnte, machte den Sohn beinahe sprachlos.
Fotograf Wirdeier ließ es sich auch nicht nehmen, die Blickwinkel von Chargesheimer zu rekonstruieren und selbst mit der Kamera zu interpretieren – „die Fotografie ist 180 Jahre alt, irgendwann ist immer schon mal jemand dagewesen“. So konnte man die Freiflächen der Nachkriegszeit mit der zugebauten Severinstraße des 21. Jahrhunderts direkt vergleichen, und auch den Dialog mit den heutigen Menschen der Südstadt scheint Wirdeier ganz in Chargesheimer-Manier zu gelingen. Und: jede Fotografie gibt Wirdeier zufolge beim Betrachten neue Informationen preis, manchmal nach zehn Jahren noch mal anders. Dies ließ sich an diesem Abend wunderbar erleben.
Schließlich ein leidenschaftliche Appell (an die Stadt und andere Geldgeber): Die Menschen, die solche Bilder identifizieren können und sich an die Zeit erinnern, sterben nach und nach aus, es wird höchste Zeit, solche verborgenen Fotoschätze zu erschließen und zugänglich zu machen. Dem schließen wir uns unbedingt an; die FREUNDE werden weiterhin dabei helfen und dafür sorgen, dass solche Geschichten im Historischen Archiv mit Rheinischem Bildarchiv weitererzählt werden können. Der Abend klang aus mit guten und langen Gesprächen im Foyer, einem kleinen Imbiss, jede Menge Selfies mit der Kölschrock-Legende und Menschen, die glücklich einen von beiden Verfassern signierten Fotoschatz nach Hause tragen durften.
Herzlichen Dank an unsere langjährigen FREUNDE Wolfgang Niedecken und Eusebius Wirdeier für diesen wunderbaren Abend!
Fotos: Raimond Spekking, Elke Wetzig






