Persönliche Abschiedsfeier Bettina Schmidt-Czaia
Persönliche Abschiedsfeier Bettina Schmidt-Czaia

Persönliche Abschiedsfeier Bettina Schmidt-Czaia

Nach fast 20 Jahren als Archivdirektorin am Historischen Archiv der Stadt Köln endete für Bettina Schmidt-Czaia der letzte Tag im Dienst mit einer sehr persönlichen Abschiedsfeier am Eifelwall. Zahlreiche Freund*innen, Kolleg*innen und Wegbegleiter*innen waren ihrer Einladung gefolgt und konnten durch die Redebeiträge ihren Werdegang aus sehr unterschiedlichen Perspektiven nachverfolgen. Nach einem kurzen und beinahe liebevollen Video-Grußwort von Henriette Reker legte Stefan Charles, seines Zeichens Beigeordneter für Kunst und Kultur, seinen Schwerpunkt auf die Stärke, die Integrität und Kompetenz der Archivdirektorin. Natürlich fanden auch der Archiveinsturz und die damit verbundenen persönlichen und stadtgesellschaftlichen Traumata ihren Platz, aber auch die Leistungen der Archivdirektorin, deren Rolle sich von der Erfinderin des Bürgerarchivs zur Krisenmanagerin plötzlich diametral verändert hatte.

Burkhard von der Mühlen, der für die FREUNDINNEN und FREUNDE sprach, schloss an das Thema Bürgerarchiv an, zu dem selbstverständlich der Schritt „hinaus in die Stadt“ gehörte – er legte wie schon bei der letzten Mitgliederversammlung seinen Fokus auf die gemeinsam durchlebten Jahre und Aktivitäten.

Dr. Ulrich Fischer sprach im Anschluss aus der Perspektive der Mitarbeitenden und beschrieb die Entwicklung zum Bürger(*innen)archiv aus der Innensicht. Alle reden davon, was bedeutete das eigentlich konkret? Plötzlich durften, sollten! sie alle ihren „Elfenbeinturm“ verlassen und kommunikativ in die Gesellschaft oder die Verwaltung wirken, als Kommunikator*innen mit Führungen, Beratung, Kuratoren- oder Publikationstätigkeit. Sich vernetzen mit den wissenschaftlichen und archivischen Communities, Tools, Wissen und Erfahrungen austauschen – Dienstreisen unternehmen! Aus heutiger Sicht fast unglaublich, dass das 2005 etwas Neues war. Ulrich Fischer analysierte auch die Motivation hinter diesem Weg: Zum einen sieht er den unbedingten Willen, das großartige Stadtarchiv und seine Bestände auch in finanziell prekären Zeiten (das ist nichts Neues …) zu sichern und in der Stadt sichtbar zu verankern, zum anderen aber auch den – insbesondere nach dem Einsturz – dringend benötigten Fachkräften mehr Gestaltungsfreiheit und Selbstwirksamkeit zu ermöglichen.

Der letzten Punkt auf Ulrich Fischers – letztlich Bettina Schmidt-Czaias – Liste kann nicht oft genug wiederholt werden: ein Archiv ist eine zutiefst der Demokratie dienende Institution. Die „Chefin“ hinterlässt ihr Team in politisch und gesellschaftlich unsicheren Zeiten, in Zeiten voller Fake News und Polarisierung – als die „Expert*innen für transparentes Verwaltungshandeln, faktenbasierte Erkenntnis und Rückbezug auf authentische Quellen“:

Das Archiv als verlässlicher und unparteischer Bewahrer historischer Aufzeichnungen in Schrift und Bild, seine Mitarbeitenden als selbstbewusste Botschafter*innen von Identität und Vertrauen in die verbindende Kraft der gemeinsamen Geschichte. Das ist ganz sicher die Rolle, die wir als Mitarbeitende des Historischen Archivs mit Rheinischem Bildarchiv heute zu übernehmen haben.

Woraufhin der stellvertretende und nun kommissarische Archivleiter nahtlos einen Beweis für die Eigeninitiative und Motivation des Archivteams antreten konnte, indem er Bettina Schmidt-Czaia eine „substantielle“ Festschrift zum Abschied überreichte – unter dem passenden Titel: Das Archiv als „beste Gewähr gegen Geschichtsklitterung“.  Der Böhlau-Verlag nahm sich das Privileg der von den FREUNDEN finanzierte Publikation – sie ist ab sofort auch käuflich zu erwerben.

„Du hast keine Chance, nutze sie bestmöglich“

Nachdem Stefan Charles Bettina Schmidt-Czaia die Entlassungsurkunde überreicht hatte, zog sie, beginnend mit einer selbstironischen Einleitung zu ihrem Redetalent, ihr ganz eigenes, höchst persönliches Resumée.

Bettina Schmidt-Czaia und Stefan Charles, sie hält die Entlassurkunde in der Hand

Unter dem Motto: „Du hast keine Chance, nutze sie bestmöglich“ rekapitulierte sie ihren persönlichen und beruflichen Werdegang, angefangen mit einem Realschulabschluss in einem nicht-akademischen Umfeld und einer vermeintlich vorgezeichneten Laufbahn als Bankangestellte. Sie schilderte die wachsende Leidenschaft für die Originalquellen, die bei der Arbeit an ihrer (germanistischen) wissenschaftlichen Arbeit geweckt wurde, den Wechsel zuerst des des Fachs und dann vom Braunschweiger Stadtarchiv („als Provinzarchivarin“) nach Köln. Dass der „Stein des Anstoßes“ (in der Schlitzwand), der letztlich zum Archiveinsturz führte, bereits an Ort und Stelle war, als sie ihr Amt antrat, was erst viele Jahre später mit der Aufklärung der Katastrophe klar wurde. Auch die Zumutungen an ihre Mitarbeitenden und vor allen an ihr familiäres Umfeld in der der harten Zeit danach fanden ihren Platz. Welchen Weg man mit der städtischen Institution zur Bewahrung der Überlieferung auch ohne den Einsturz zurückgelegt hätte, zeigten die kleinen Randbemerkungen: 2005 war nur ein (!) PC ans städtische E-Mail-Netz angeschlossen, heute ist man Vorreiter bei der stadtweiten Einführung der E-Akte und digitaler Archivierung.

Mit berechtigtem Selbstbewusstsein konnte Bettina Schmidt-Czaia, die ihren Hof gut bestellt hinterlässt, ihre abschließenden Worte direkt an die Stadt richten: Du hast eine gute Chance, nutze sie bestmöglich!

Noch lange nach dem offiziellen Teil versammelten sich Gastgeberin und Gäste im Foyer am Eifelwall, um Bettina Schmidt-Czaia gebührend zu feiern. Uns bleibt ein „dickes Danke“ zu sagen, auf ein baldiges Wiedersehen (spätestens zum 20sten der Freunde 2026) und: Alles alles Gute, liebe Bettina!

Zwei Frauen schauen lächelnd in die Kamera